Gedanken zu einer Gedenktafel
Im Museum befindet sich seit kurzem ein besonderer Fund: Eine Gedenktafel für Gefallene des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71, betitelt mit "Gedenktafel, unsern Helden von 1870/71" (gewidmet). Aus "Kreinhagen" (ja, so steht es da!) werden 11 Namen genannt, aus Röhrkasten fünf. Diese Namen sind:
aus Krainhagen:
- Wilhelm Meier,
- Carl Meier,
- Heinr. Deerberg,
- Chr. Nottmeier,
- Wilh. Watermann,
- Friedr. Blume,
- Heinrich Meier,
- Aug. Struckmeier,
- Wilh. Struckmeier,
- Wilh. Deerberg,
- Louis Dralle.
Aus Röhrkasten:
- Carl Schäfer,
- Friedr. Strukmeier (ja, ohne ck geschrieben!),
- Friedr. Düfelshöft (wieder eine etwas ungewöhnliche Schreibweise),
- Heinr. Meier,
- Heinr. Harkmann.
Diese Tafel ist etwas Besonderes, denn aus dem Krieg, der am Anfang des Deutschen Reiches stand, ist heute nur noch wenig überliefert. Er ist gewissermaßen aus dem kollektiven Gedächtnis der Deutschen verschwunden. Dabei veränderte dieser Krieg die Landkarte Europas und die deutschen Siege bildeten nicht nur den Gründungsmythos des Deutschen Reiches, sondern wurden weltweit beachtet. Seit 1871 war die preußisch-deutsche Armee Vorbild für viele andere Armeen in der Welt.
Die Siege dieses Krieges wurden gefeiert. Am bekanntesten war der Sedantag, aber auch nach den anderen deutschen Siegen wurden überall Straßen und Plätze benannt, wie in Hannover die Mars-La-Tours Straße. Diese Erinnerung hat schon damals den militaristischen Ruf der Deutschen bestätigt. Allerdings war die Erinnerung an diesen Krieg oft zwiespältig und viele Deutschen waren froh, dass das Reich nach diesem Krieg über 40 Jahren Frieden erlebt hatte - für damalige Verhältnisse eine erstaunlich lange Friedensphase. Dass dieser lange Frieden mit einer der größten Katastrophen der Menschheitsgeschichte zu Ende ging, ahnte noch im Frühjahr 1914 kaum jemand - auch wenn einige Skeptiker vor einem katastrophalen nächsten Krieg schon seit den 1890er Jahren warnten.
Diese Tafel ist aber auch noch aus einem anderen, lokalen Zusammenhang interessant, zeigt sie doch, wie eng die beiden Dörfer Krainhagen und Röhrkasten verbunden waren. Auch wenn es immer wieder Versuche gab, sich vom anderen abzugrenzen, so war der Alltag eher durch Kooperation geprägt.
Noch aus einem dritten Grund ist die Tafel bemerkenswert. Sie steht heute in Obernkirchen, vielleicht nur "untergestellt", vielleicht aber auch dauerhaft. Sie zeigt damit auch, wie wichtig Obernkirchen für die umliegenden Dörfer war. Noch vor wenigen Jahren blickten manche Bürgermeister aus den "Ortsteilen" skeptisch auf die "Kernstadt". Das war auch durchaus verständlich, wenn man die Leistungen dieser Bürgermeister in ihren Dörfern berücksichtigt. Sie hatten einen beispiellosen Modernisierungsprozess in Gang gesetzt, der aus ihren Orten moderne Wohnsiedlungen machten.
Aber in der langen Entwicklung waren die Dörfer nie ohne ihr städtisches Zentrum, ihren städtischen Bezugspunkt denkbar. In Obernkirchen ging man zur Kirche, wurde man getauft, getraut und beerdigt. Aus Obernkirchen wurde die Aufsicht über die Schulen betrieben. Hier kaufte man ein und vor allem: Hier arbeitete man. Ohne Obernkirchen sähen die umliegenden Dörfer und ganz besonders Krainhagen, Röhrkasten oder Beeke ganz anders aus. Es waren Arbeiterdörfer, deren Bewohner im Bergbau und vor allem in der Glasindustrie über Generationen Arbeit und Sicherheit fanden. Stadt und Dörfer waren kein Gegensatz, sondern gehörten zusammen.
Zugegeben, das führt weit weg von der Gedenktafel, aber manchmal kommen einem auch abwegige Gedanken, wenn man plötzlich im Museum mit solch einem Objekt konfrontiert wird.