Aus Dreiers Haus - Erinnerungen einer Obernkirchnerin
In den Unterlagen des Museums befinden sich auch
Aufzeichnungen über eines der wichtigsten Gebäude der Stadt, das
Rathaus. Dort, wo heute das Rathaus steht, hatte bis 1866 der Schneider
Dehne sein Haus, dieses wurde 1866 vom Ratskellerwirt Heinrich Dreyer
gekauft, abgerissen und dort ein Manufaktur- und Kolonialwarengeschäft
eingerichtet. Zunächst übernahm der Sohn Adolf das Geschäft, dann, nach
dessen frühem Tod, sein Bruder Heinrich. Heinrich hatte wie sein Bruder
das Gymnasium in Minden besucht (und dabei bei Verwandten gewohnt), war
dann als Lohgerber in Herford ausgebildet worden, war dann in Kolmar und
Paris (wo er offenbar auch gut französisch gelernt hatte), war dann
nach Obernkirchen zurück gegangen, wo er Minna, geb. Battermann
heiratete, mit der drei Töchter hatte. Nach deren Tod heiratete er ein
zweites Mal. Dreyer hatte drei Töchter, Frieda (1874 geb.), Minna (1876
geb.), Clara (1877 geb.). Dreyer war von 1888 bis 1902 Bürgermeister,
1907 starb er.
In den Unterlagen des Stadtmuseums befinden sich aber
auch noch Aufzeichnungen einer der Töchter des Heinrich Dreyer, leider
ohne Namens- oder Datumsangabe. Die Schreiberin wurde 1890 konfirmiert,
was auf Minna verweisen würde, allerdings wird Minna in der dritten
Person erwähnt, so dass vermutlich Clara die Schreiberin war. Der Text
dürfte nach dem Ersten Weltkrieg entstanden sein.
Der Text liefert uns ein sehr eindringliches Bild vom
Leben junger Mädchen in den Jahren zwischen 1880 und 1890. Deutlich wird
das mehr oder weniger harte Leben, die wenigen Freundschaften, aber
auch die Angst der Eltern von Krankheiten, die wie die Diphtherie oder
der Scharlach schnell lebensbedrohlich werden konnten. Die komplizierten
Familien- und Verwandtschaftsverhältnisse werden ebenso deutlich wie
die schwierigen Beziehungen der jungen Mädchen zu ihrer Stiefmutter.
Das besonders Interessante an diesem Text ist die
geringe Wehmut nach der guten alten Zeit, die trotz mancher positiven
Erinnerungen doch eher in einem kritischen Licht betrachtet wird.
Besonders die eher kalten zwischenmenschlichen Beziehungen und die
Kargheit, selbst in einem wohlhabenden Haushalt werden hier deutlich.
Deutlich sichtbar wird aber auch, wie wenig sich das
Leben nur im Rahmen der Kleinstadt abspielte. Einerseits lag das an der
großen Bedeutung der Familie - und viele Verwandte wohnten eben nicht in
Obernkirchen. Dann fand die Lehre und Ausbildung traditionell nicht im
Ort statt, so dass es den Vater immerhin bis nach Paris führte.
Provinziell war sicher etwas anderes.